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Im Gespräch mit Martin Kobler: Botschafter a.D. und ehemaliger Büroleiter von Bundesaußenminister Joschka Fischer

Über Jahrzehnte war Martin Kobler als Diplomat in der Welt unterwegs. Deutscher Botschafter in Ägypten, im Irak und in Pakistan, UN-Sonderbeauftragter für den Irak, Leiter der UN-Friedensmission im Ostkongo, UN-Sondergesandter in Libyen. Auch besetzte er wichtige Posten im Auswärtigen Amt, z.B. als Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation sowie als Büroleiter von Bundesaußenminister Joschka Fischer.

Martin Kobler en el Congo.
Martin Kobler bei der UNO als Leiter der UN-Friedensmission im Kongo. Quelle: ONU

Hallo Herr Kobler, es ist mir eine Ehre, mit Ihnen zu sprechen. 

Ja. Guten Tag. Schön

Ich habe schon viel gesagt, aber wer sind Sie? Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, ins Auswärtige Amt zu gehen? 

Ich muss sagen, das war schon sehr früh. Ich räume ja gerade meine Sachen auf und ich habe einen Zettel gefunden, da war ich 14 Jahre alt. Da habe ich aufgeschrieben, was man machen muss, um ins Auswärtige Amt zu kommen. Ich komme aus der Kleinstadt, aus Süddeutschland. Und wahrscheinlich war das ein Grund, dass ich so ein bisschen raus in die große Welt wollte, und das habe ich sehr früh als Jugendlicher entschieden. Ich habe Sprachen gelernt, damals schon zusätzlich zu den Sprachen in der Schule, und ich habe mich ganz früh entschieden, ins Auswärtige Amt zu gehen. Ich habe dann Jura studiert und asiatische Philologie, also indonesisch. Dann habe ich mich beworben und bin genommen worden. 

Ihre Frau ist auch Diplomatin. Sie waren in Kairo Botschafter und Ihre Frau Stellvertreterin. Das war im Auswärtigen Amt etwas Neues. Wie ist das gelaufen? 

Naja, das fing schon viel früher an. Wir haben uns zusammen im Auswärtigen Amt beworben, 1983, und das war sehr umstritten. Wir hatten schon ein Kind. Es gab bis dahin keine Ehepaare, die eingestellt wurden als Ehepaare. Es gab schon Menschen, die sich haben scheiden lassen und sich dann in Zweitehen dort getroffen haben. Aber wir waren das erste Paar, das in den 80er Jahren eingestellt wurde als Ehepaar. Und wir waren dann das erste Ehepaar, das an dieselbe Botschaft kam. Wir waren als erster Posten schon in Kairo, da hatten wir dann zwei Kinder schon, und das war auch sehr umstritten. Der Botschafter damals wollte das gar nicht. Er hat der Personalabteilung geschrieben und gesagt: »Das geht nicht, dass da ein Ehepaar an die Botschaft kommt.« Aber wir waren dann das erste Paar, das in Kairo gearbeitet hat und wir haben natürlich keine Sonderbehandlung erhalten. Wir waren zufällig auf Posten, ich war politischer Referent, meine Frau hat Rechts- und Konsularsachen gemacht, und wir haben uns vertreten. Das heißt, wir konnten drei Jahre keine Urlaube zusammen machen. Das muss man dann schon schlucken, und wir waren dann, wie Sie erwähnt haben, das erste Paar auch, wo er Botschafter und sie eine Vertreterin war. Das gab es seither auch nicht, wir waren da so ein bisschen Pioniere. Und heute ist es überhaupt kein Problem mehr, dass Paare quer über die Laufbahn an denselben Botschaften arbeiten. 

Sie wurden als Diplomat im Irak, in Pakistan und Palästina eingesetzt. Sie persönlich scheinen eine gewisse Affinität für krisenhafte Lagen zu besitzen. Viele sagen: Ich will Botschafter in Washington, in Paris werden. Warum also Pakistan, Palästina? Warum ist das so?

Ja, also erstens haben mich kleinere Botschaften immer mehr interessiert, denn in die europäischen Botschaften, die Sie erwähnt haben..natürlich wollen viele Kolleginnen und Kollegen nach Paris und Rom und große Städte, wollen natürlich viele Kolleginnen und Kollegen, aber ein Botschafter hat dort in Europa keine Funktion mehr. Die politischen Beziehungen zu Frankreich sind so eng, das läuft alles direkt zwischen den Ministerien. Wir haben ja selbst gemeinsame Kabinettssitzungen zwischen französischem und deutschem Kabinett, da sitzen dann der Premierminister und Herr Scholz, die sitzen zusammen mit ihren Ministern. Da hat ein Botschafter praktisch nur noch wenig Funktion, außer Beziehungen zum Land zu pflegen. Aber es sind typische diplomatische Tätigkeiten — sich auszutauschen, über die Lage im Land, über Krisen — das hat man an großen europäischen Botschaften nicht. Ich war in Indien auf Posten, das hat uns sehr gefallen. Wir waren da ja zu zweit, und dieser Posten in Jericho dann, nach dem Osloer Abkommen in den 90er Jahren, 1994-1997, das war für einen jungen Beamten schon aufregend. Sie wissen ja, die Deutschen haben eine besondere Beziehung zu Israel, und da dann aber sozusagen auf der anderen Seite, in Palästina, zu arbeiten und in Jericho das Büro aufzumachen, das ist ja heute in Ramallah, das war schon sehr fordernd, da nicht in Fettnäpfchen zu treten, gerade als Deutscher bei den Palästinensern. Und ich habe da sehr, sehr viel gelernt, aber meine Laufbahn war ja so ein bisschen zweigeteilt: Ich war Botschafter oder Behördenleiter oder im Auswärtigen Amt, aber im letzten Drittel bin ich zur UNO gegangen. Und das war ein Glücksfall, muss ich sagen, dass man das Auswärtige Amt verlässt und dann bei der UNO in Missionen dann arbeitet, in Afghanistan, im Irak wieder, da war ich dann bilateraler Botschafter. Also dann im Kongo und in Libyen, dann zuletzt. Das war schon gut, dass man diese beiden Standbeine hat und mal eine andere Organisation als das Auswärtige Amt kennenlernt. 

Martin Kobler en Rawalpindi
Martin Kobler, deutscher Botschafter in Pakistan. Quelle: Global Village Space.

Wie funktioniert die UNO an dieser Stelle? Gibt es immer ein Mandat des Sicherheitsrates?

Die UNO hat diese friedenserhaltenden Missionen. Es gibt grob gesagt zwei verschiedene: Das eine sind politische Missionen, wie in Afghanistan, Libyen und Irak. Da gibt es einen Stab von Kolleginnen und Kollegen, aber keine Truppen. Und die friedenserhaltenden Missionen, diese typischen Peacekeeping Operations, da hatte ich die große Chance, gleich die größte von allen zu leiten. Das war im Kongo. Wir hatten 20.000 Soldaten und 5000 Zivilisten und das alles lief unter einem Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, und das ist typischerweise in Krisengebieten. In Paris oder in Uruguay braucht man keine friedenserhaltende Mission. Aber mit Blick auf Konflikte wie zwischen Venezuela und Guyana oder zwischen anderen, Indien und Pakistan, in Israel oder in Palästina, gibt es dann entweder politische oder friedenserhaltende Missionen. Im Kongo war das die interessanteste für mich. Da lief das ja schon mit wechselnden Mandaten seit den späten 60er Jahren und es ging dort darum, richtig — mit Mandat der Vereinten Nationen— Krieg zu führen, und zwar Rebellen zu bekämpfen. Und wenn sie nicht freiwillig die Waffen abgegeben haben, dann eben auch Gewalt einzusetzen. 

Wie muss man sich die Beschäftigungsmöglichkeiten in Friedensmissionen vorstellen? Was kann man erreichen? 

Ich bin ja hoch eingestiegen, erst in Afghanistan als stellvertretender Missionsleiter und dann in die anderen Missionen als Missionsleiter. Es gibt jede Menge junge Kolleginnen und Kollegen und ich kann jeden nur ermutigen, gerade vielleicht auch aus Uruguay kommend. Es gibt versteckte Länderquoten, in diesen Bereich zu gehen, denn das ist, wie ich immer fand, sehr viel lohnender, teilweise, als in der großen Bürokratie im Auswärtigen Amt zu arbeiten.

Der grundsätzliche Unterschied zwischen den Missionen und dem Bilateralen, wie dem Auswärtigen Amt ist, so habe ich das zumindest empfunden, dass man als Botschafter, sagen wir mal, in Montevideo, abhängig ist von den Weisungen des Auswärtigen Amtes in Berlin. Zum Beispiel: Da ist der Ukraine-Krieg und dann ist da die Zeitenwende, und dann fragt die Presse den Botschafter, was wir unter Zeitenwende verstehen, und da muss man als Botschafter das, was das Auswärtige Amt denkt, eben wiedergeben — keine private Meinung. Bei der UNO ist es umgekehrt. Da ist die Hauptsache die Mission — im Kongo, in Bagdad, in Kabul — und man hat nur den Sicherheitsrat als kontrollierendes Organ und ist sehr selbständig, weil Sie gefragt haben, was man bewirken kann in dem, was man bewirken möchte. Und das ist von Land zu Land unterschiedlich. Um zwei Beispiele zu geben: Im Irak haben wir die Grenze zwischen Kuwait mit »border pillars«, mit Grenzpfosten versehen. Der erste Golfkrieg war der Versuch Saddam Husseins, zu sagen: »Wir nehmen Kuwait ein, das ist unsere 27. Provinz«. Aber damit das nicht mehr passiert, haben wir diese Grenze zusammen mit Kuwaitis und Irakis festgestellt, mit GPS-Daten, haben Grenzpfosten eingeschlagen. Es wird kein irakischer Führer mehr sagen können: »Das ist die 27. Provinz des Iraks.« Im Kongo war die Lage ganz anders. Da hatten wir Friedenstruppen und einen offensiven Kampfauftrag mit der sogenannten »Force Intervention Brigade«. Das heißt, wir haben aktiv Rebellen-Bekämpfung gemacht und haben auch eine große Rebellen-Gruppe im Osten des Kongo dann zur Niederlage gebracht letztlich, sodass die staatlichen Autoritäten wieder Krankenhäuser und Schulen und eine staatliche Verwaltung aufbauen konnten. Letztlich konnten wir die Probleme nicht dauerhaft lösen, das müssen immer die Länder selber machen, aber wir können stabilisieren, wir können mit Truppen reingehen, um Streitparteien zu trennen, die Verletzungen von Waffenstillständen aufzuzeigen, das alles können wir. Aber letztlich muss es eine politische Lösung geben, das können nur die Länder selber tun. 

Wir haben über die Zeitenwende und über den Krieg in der Ukraine gesprochen. Viele Menschen, z.B. in Uruguay, sagen: Die UNO funktioniert nicht mehr. Es gibt einen Krieg in der Ukraine und die UNO macht überhaupt nichts. Was denken Sie darüber?

Wir erleben gerade zwei große Krisen. Wir haben seit mehreren Jahren den Krieg in der Ukraine, der veranlasst wurde durch den Angriff von Putin auf die Ukraine, eine klare Verletzung des Gewaltverbots. Und wir haben den Krieg Israels gegen Gaza, ausgelöst vor einem Jahr am 07. Oktober [2023] durch den Angriff der Hamas auf Israel und die Gegenreaktion jetzt der Israelis. Nun, die Frage ist sehr legitim. Was macht die UNO da? Warum ist die UNO nicht aktiver? Man muss sagen, dass die UNO ja eine Versammlung souveräner Staaten ist, und der Sicherheitsrat ist für die Aufrechterhaltung, die Diskussion, Frieden und Sicherheit verantwortlich. Und wenn sich der Sicherheitsrat nicht einig ist, dann kann die UNO auch schlecht etwas tun.

Aber ich sagte schon auch, dass in der Frage der Ukraine, weil es ein Angriff Russlands gegen die Ukraine war, der den Krieg ausgelöst hat, da hätte man auch als UNO sehr wohl anders vorgehen können. Denn die UNO-Charta, was den Sicherheitsrat anbetrifft, muss auch geändert werden, weil dieser nicht mehr reflektiert, was die Welt heute darstellt. Diese UNO-Charta eröffnet die Möglichkeit, dass man Parteien, die im Konflikt involviert sind, vom Stimmverhalten ausschließt. Das steht da drin. Also hätte man sehr wohl sagen können, Russland als Staat ist verantwortlich für den Angriff und »nach Artikel 27 Absatz 3 der UNO-Charta seid ihr von der Abstimmung, hier über Resolution, weil ihr Partei seid, ausgeschlossen«. Das hat man nicht gemacht. Warum hat man es nicht gemacht? Weil vielleicht im anderen Fall, auch später, andere Mitglieder des Sicherheitsrates wie zum Beispiel die USA keinen Präzedenzfall schaffen wollten, weil sie möglicherweise irgendwann mal selber davon betroffen sein könnten. Verstehen Sie? Und deswegen hat man es bei Russland nicht gemacht. Also, die UNO kann stärker sein, als sie das jetzt gemacht hat. Da gibt es noch viele andere Möglichkeiten. Der Generalsekretär hat viele größere Möglichkeiten. Er ist der Wächter der UNO-Charta, hier zu intervenieren, selbst den Sicherheitsrat zu befassen, das hat er auch nicht gemacht. Er kann selbst, wenn er eine Bedrohung der internationalen Sicherheit sieht, nach Artikel 99 den Sicherheitsrat befassen. Auch das ist nicht erfolgt.  Es gibt also strukturelle Probleme, Versammlung souveräner Staaten. Aber es gibt auch politische Zurückhaltung, dass man die Mòglichkeiten, die die Charta gibt, hier nicht ausgeschöpft hat.

Wir haben über die Vereinten Nationen gesprochen. Was denken Sie über die NATO? Kann die NATO noch mehr machen? Die NATO hat mit Deutschland und Frankreich ganz wichtige Partner. Sie haben Waffen an die Ukraine geliefert. Es gibt immer diese Diskussion über Waffenlieferung an die Ukraine, in Deutschland wie auch in Frankreich. Kann die NATO noch mehr tun?

Die NATO ist nicht in diesen Konflikt involviert. Es war kein NATO-Fall, weil die Ukraine nicht Mitglied der NATO war. Also die NATO selbst ist nicht in der Ukraine involviert, aber Sie haben recht, es sind die einzelnen Mitgliedstaaten, die das aber auf bilateraler Basis machen, aber nicht qua NATO. Wenn ein NATO-Land angegriffen wird, dann in der Tat ist das der Bündnisfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages. In dem Fall war die Ukraine kein NATO-Land. Da sagen manche, es wäre besser gewesen, man hätte damals die Ukraine in die NATO aufgenommen, dann wäre es vielleicht nicht zu diesem Konflikt gekommen. Ich weiß es nicht, ich bin kein Prophet, aber die NATO als solche ist nicht involviert. Aber bilaterale Staaten sind involviert und ich finde, so lange die Ukraine kämpfen möchte, sollten wir als Deutschland, als Frankreich, als Holland, als NATO-Staaten alles tun, um die Ukraine dabei zu unterstützen.

Enviado Especial de las Naciones Unidas en el Congo.
Kobler im Ostkongo. Quelle: Der Spiegel

Ich möchte jetzt ein bisschen über Jericho sprechen. Sie waren dort Leiter der Vertretung Deutschlands in Palästina, und Sie sagten einmal: Da habe ich Krise gelernt. Die Frage ist: Was genau haben Sie da gelernt? 

Das war 1993. Die Älteren erinnern sich vielleicht an das Bild, auf dem Clinton, Arafat und Rabin im Rosengarten des Weißen Hauses den Oslo-Vertrag besiegelt haben, und die Amerikaner dort ihr Plazet gegeben haben, und Jitzchak Rabin und der ehemalige Terrorist Jassir Arafat haben sich dort die Hände gegeben. Bill Clinton steht dahinter und drückt so ein bisschen, aber immerhin haben sie sich die Hände geschüttelt. 1994 trat das in Kraft, und Palästina ist ja kein Staat, oder war damals noch nicht als Staat anerkannt. Heute erkennen ja viele, auch europäische Staaten Palästina als Staat an. Sondern dieser Friedensprozess begann und war auf 5 Jahre angelegt, und die Staaten, die dort noch keine Generalkonsulate hatten, in Ostjerusalem, die konnten sogenannte Vertretungsbüros einrichten, in Jericho oder Gaza. Das waren damals die beiden autonomen Zonen.

Clinton y Afarat
Historischer Händedruck unter der Aufsicht von Bill Clinton: Jitzchak Rabin (l.) und Jassir Arafat 1993 (dpa / picture-alliance / epa afp)

Im August 1994 kam dann Arafat nach Gaza. Ich selbst war im August 1994 auch vor Ort und ich habe das Schild angeschraubt »Vertretungsbüro der Bundesrepublik Deutschland«. Das war keine Botschaft, nur Staaten haben Botschaften. Das war keine Botschaft, und so etwas wie ein Vertretungsbüro gab es auch nicht mehr. Das ist eine einzigartige Sache. Wir hatten keinen Status. Wir waren zwar angemeldet auf der israelischen Diplomatenliste, aber wir hatten keinen Status als Diplomaten bei den Palästinensern, weil es kein Staat war. 

Also, es war eine ganz interessante Situation und jetzt kam es dazu, dass, wo immer ein Friedensprozess stattfindet, es auch Feinde des Friedensprozesses gibt, die versuchen, diese Friedensprozesse zu torpedieren. Das waren PLO-Fraktionen, das war Hamas, das waren andere, die zu der Zeit, schon vor 30 Jahren, terroristische Anschläge verübt haben. Das heißt, wir hatten damals 1993, 1994, 1995 große Terroranschläge an Busstationen in Israel, mitten in Tel Aviv, in Einkaufszentren, verübt von PLO-Fraktionen, die gegen dieses Oslo-Abkommen waren. Sie sagten: »Das alles ist viel zu schlecht. Das Gebiet, was uns gehören sollte, ist viel zu klein, es wurde schlecht verhandelt.« Und sie kämpften mit diesen Terroranschlägen eben gegen Arafat. Jetzt wir mittendrin, mit der Hoffnung, dass das lief. Wir hatten Besucher aus Deutschland, der Außenminister kam alle drei Monate, da muss man ja nach Gaza rein, Termine mit Arafat, und es gab einen Terroranschlag hier und da, und das war alles eine sehr große Herausforderung, so ein Besuchsprogramm dann zu machen. Und da wird man einigermaßen flexibel im Krisenmanagement. Da habe ich das eben gelernt, wie man mit solchen Situationen umgeht. Man darf nicht übervorsichtig sein, man muss weiter arbeiten, trotz Terroranschlägen. Man darf aber auch nicht so ramboartig sagen: »Das machen wir jetzt.« Und als Botschafter in Bagdad 2006, 2007, und später bei der UNO, wo ja Terroranschläge und der Krieg noch liefen, ist man ja in richtigen Kriegssituationen und da ist man dann weniger aufgeregt, wenn man diese Schule da in Jericho damals durchlaufen hatte.

Wir haben jetzt leider schon wieder einen Krieg in Gaza, zwischen Israel und Palästina. Wir haben den deutschen Botschafter, Steffen Seibert vor Ort. Er wird immer kritisiert. Wie würden Sie die Lage einschätzen?

Dieser Terroranschlag wurde von der Hamas ausgelöst und das Recht der Selbstverteidigung ist, glaube ich, unbestritten, und dass Israel sich das nicht gefallen lassen kann. Das war ein Angriff auf ihr Territorium, und zwar mit einiger Brutalität, das ging mit Vergewaltigungen einher, mit Geiselnahmen. Es sind noch über 100 Geiseln in Haft, sodass Israel reagieren musste. Allerdings, wie Israel reagiert hat: mit inzwischen über 40.000 Toten. Mit fast 100.000 Verletzten nach Hamas-Angaben. Aber das wird laut humanitärer Organisationen schon stimmen. Aber auch, was mich besonders beunruhigt, mit der Sperre von Nahrungsmitteln. Es sind doch zweieinhalb Millionen Leute, die sauberes Wasser, Nahrungsmittel und vor allem Medizin brauchen. Es werden durch diese Bombenangriffe der Israelis Menschen verletzt und ich kenne Fälle, bei denen Kinder Beinamputationen haben mussten, ohne Narkose. Das sind wirklich Dinge, die dem humanitären Völkerrecht widersprechen und unverhältnismäßige Reaktionen sind. Erst letzte Nacht sind wieder sechs von meinen UNO-Kollegen bei einem Angriff auf eine Schule getötet worden. Inzwischen gibt es über 160 UNO-Mitarbeiter in Gaza, die getötet wurden, und das ist nicht hinnehmbar. Und deswegen muss so schnell wie möglich erstmal ein Waffenstillstand her, »ceasefire« steht immer am Anfang. Der Austausch der Geiseln, palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen. Das muss am Anfang stehen, und dann muss aber auch gefragt werden, was lief da eigentlich schief, mit diesen hoffnungsvollen Versuchen vor 30 Jahren, als ich da war? Und wie machen wir das jetzt besser? icht nur wir als internationale Gemeinschaft, sondern wie machen vor allem Israelis und Palästinenser das besser? Das wird die Herausforderung sein. Dann der Wiederaufbau von Gaza, wo Milliarden von Investitionen gefordert sind. In Gaza sieht es in großen Teilen aus wie in Berlin und in Dresden nach dem Zweiten Weltkrieg. Das ist eine enorme Herausforderung, sowohl humanitär als auch der Wiederaufbau, aber vor allem politisch gesehen, dass diese Region endlich Frieden findet. 

Kurz zu Ihrer Rolle als Büroleiter, wie das im Amtsdeutsch heißt, aber konkret in der Praxis, im Auswärtigen Amt, was ist die Arbeit eines Büroleiters? 

Das war, glaube ich, meine interessanteste Zeit im Auswärtigen Amt. Es war 1998, als überraschenderweise Rot-Grün die Regierung übernahm, also der Kanzler Gerhard Schröder [SPD] und Joschka Fischer [Bündnis 90/Die Grünen] der Außenminister war. Ich glaube, die Grünen, damals in Deutschland, waren überrascht, dass sie plötzlich an der Regierung sind. Hier kommen wir auch wieder auf Jericho zurück. Fischer kannte gar nicht viele Menschen im Auswärtigen Amt. Allerdings kam er, als ich und ein Kollege, Andreas Michaelis, in Jericho waren, jedes Jahr nach Israel und nach Palästina als Abgeordneter. Mein Kollege Andreas und ich haben die Programme für ihn gemacht, in Israel. Und ich bin mit ihm in Palästina zu Arafat, zu anderen, zu Menschenrechtsorganisationen gegangen. Ich glaube, drei oder vier Mal haben wir ihn dort betreut. Er kam ganz regelmäßig nach Israel und Palästina. Als dann die Grünen an die Regierung kamen und dann auch noch den Außenminister stellten, war er in einer schwierigen Situation, weil der Kosovo-Krieg schon lief. Und als die Grünen 1998 dann mit Kanzler Schröder von der SPD an die Regierung kamen, hat Fischer damals gesagt: »Wen kenne ich im Auswärtigen Amt?«. Und dann kam er auf Andreas Michaelis und mich. Andreas Michaelis wurde der Pressesprecher und ich wurde sein Büroleiter.

Andreas Michaelis ist jetzt Botschafter.

Ja. Andreas ist ein bisschen jünger als ich. Er ist jetzt als Botschafter in Washington. 

Die Funktion des Büroleiters ist ein Scharnier zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Minister. Man hat den Minister, Staatssekretäre und dann ganz viele Abteilungen: Kulturabteilung, politische Abteilung. Aber nicht alle können ständig den Minister sehen. Also organisiert man die Reisen des Ministers und damals auch sehr viel natürlich — weil wir diese Palästina-Erfahrung hatten — nach Israel und Ramallah dann. Auch da war Fischer zweimal im Jahr, mindestens.

Und als Büroleiter können Sie schon ein bisschen beeinflussen, da habe ich dann gesagt:. »Nehmen Sie sich des Konfliktes an, Herr Fischer!« Er hat das dann auch sehr gerne gemacht, hätte es auch ohne mich gemacht. Aber es war gut, dass wir dann, Andreas und ich, die Beziehung zu den Israelis und zu den Palästinenser hatten. Er hat sehr oft und lange Gespräche mit Arafat und Sharon geführt, auch kurz vor dem Tod von Arafat, der da vergiftet wurde. 

Das waren schon die Aufgaben. Sie bestehen daraus, die Reisen zu organisieren, natürlich nicht alleine, sondern mit Kolleginnen und Kollegen im Ministerbüro. Da werden die Zuständigkeiten verteilt und ein Kollege war z.B. für Südamerika zuständig, deswegen war ich damals nicht in Südamerika. Ich habe den Nahen Osten mitbetreut. Aber auch der Türöffner zu sein, für Beschwerden, für Anregungen aus dem Haus zum Minister, aber auch die Dinge, die der Minister sagt, dann weiterzugeben an das Auswärtige Amt, an die Referate, an die Direktoren. Man sitzt immer einmal am Tag in der Direktorenrunde. Also, alle Direktoren, Leiter der Abteilungen sitzen zusammen mit den Staatssekretären und der Leiter des Ministerbüros, der Büroleiter, oder ein Kollege ist da immer dabei, sodass er weiß, was läuft. Das gibt er an den Minister weiter, der natürlich da nur ganz selten in die Direktorenrunde kommen kann, und den Informationsfluss vom Minister dann zum Rest des Auswärtigen Amtes.

Das war eine sehr interessante Aufgabe. 

Das war sehr interessant. Man lernt auch sehr viel darüber, wie Politik funktioniert, wie eine große Administration funktioniert, aber auch, wie das Zusammenspiel eines Ministers mit den Kolleginnen und Kollegen im Kabinett funktioniert. Das Auswärtige Amt ist ja nicht das einzige Ressort, das sich um Außenpolitik kümmert. Klima. Ernährung, FAO, also die Beziehungen zu der UN-Sonderorganisation, das läuft ja vom Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium [BMEL]. Oder BMZ [Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung]. All das muss koordiniert werden und da lernt man doch schon sehr viel. 

Wie war Herr Fischer persönlich? 

Herr Fischer persönlich war ein charismatischer Politiker, und deswegen war es natürlich besonders interessant, mit ihm zu arbeiten. Fischer selbst hat ja eine sehr, sagen wir, schillernde Vergangenheit. Er hat ja nicht mal Abitur, war, als wir da waren, in seiner vierten Ehe, hat sich als Taxifahrer durchs Leben geschlagen, war Mitglied mit [Daniel] Cohn-Bendit der Frankfurter Gruppe, der Spontis damals, war ein Gründungsmitglied der Grünen und sehr früh schon hat er sich von diesen radikalen terroristischen Bewegungen abgesetzt und gesagt: »Ich möchte in die Institutionen gehen. Ich bin zwar links und grün. Ich kann aber nur etwas verändern, wenn ich in den Ministerien selbst bin.« Er war dann auch recht schnell hessischer Umweltminister und ist dann in den Bundestag gegangen. Da gibt es jede Menge Geschichten über Skandale und so, z.B. gab es diesen berühmten Ausspruch dem Bundestagspräsidenten gegenüber, der ihn in die Schranken verwiesen hat, weil er irgendwas gesagt hatte. Fischer hat im Parlament, vor laufenden Kameras, erwidert: »Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.« Da wurde er natürlich des Saales verwiesen. Lauter solche Dinger hat er da gedreht. 

Die Grünen saßen damals im Parlament und haben gestrickt, und er hatte Turnschuhe an und so. Das war natürlich nicht mehr so, als er Außenminister war. Er hatte gute Anzüge an, Krawatten und ordentliche Schuhe, als Außenminister. Er war aber ein Charismatiker durch seinen Werdegang, durch seine Laufbahn und hat versucht, wirklich sehr viel Krisenmanagement mit sehr viel Gefühl und sehr viel Verstand anzugehen, mit einem Bauchgefühl, was wir Beamten nicht haben konnten. Er war Straßenkämpfer in Frankfurt damals und deswegen konnte er Straßenkämpfer, seien es Palästinenser oder in anderen Ländern, konnte er sehr viel besser verstehen, wie sie fühlen, wie sie ticken und das haben wir als Beamte von ihm gelernt. Er war ein toller Typ. Allerdings war er manchmal, muss man auch sagen, sehr aufbrausend. Die Arbeitsbelastung war groß, da ging es nicht unbedingt immer leise von sich. Wir mussten da auch viel schlucken, aber wir haben es gern getan.  

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kommt auch von den Grünen. Wie beurteilen Sie die Arbeit von Frau Baerbock? 

Annalena Baerbock ist angetreten mit zwei Dingen: Das eine war feministische Außenpolitik, dass das Verwaltungshandeln abgeklopft wird, auf Effekt für Frauen, und die sogenannte wertegeleitete Außenpolitik; also das Völkerrecht muss eingehalten werden, wir müssen die multilaterale Ordnung respektieren. Gemessen an dem, womit sie aufgetreten ist, ist es, sagen wir mal vorsichtig, ein gemischtes Bild. Ich kann nicht sehr viel von der wertegeleiteten Außenpolitik sehen. Die Position der Bundesregierung zur Ukraine war allerdings wertegeleitet und klar, die zu Israel jetzt wenig. Da würde ich mir mehr wünschen, was Engagement im Sinne der Werte, des Völkerrechts, der Verhältnismäßigkeit einer legitimen und legalen Gegenreaktion der Israelis auf den Hamas-Anschlag angeht. Da könnte sehr viel mehr getan werden. Auch in Fragen der feministischen Außenpolitik und der anderen Krisen sehe ich wenig. Die größte humanitäre Katastrophe ist eigentlich im Sudan, mit vielen Millionen Menschen, die keinen Zugang zu Nahrung haben. Mit zehn Millionen Menschen, die vertrieben sind, wo Frauen und Kinder betroffen sind. Das wäre ein Anwendungsbereich für feministische Außenpolitik, überall da, wo Frauen besonders tangiert sind, dass man in diese Krisen rein muss: Das ist Jemen, das war der Krieg in Äthiopien gegen die Tigray Defense Forces, wo Nahrungsmittel gesperrt wurden und wo die Absicht war, weite Teile der Bevölkerung verhungern zu lassen. Auch habe ich wenig Engagement gesehen, da hätte ich mir schon mehr gewünscht. Vieles läuft aber auch sehr gut, wie zum Beispiel die Klimaaußenpolitik, wo sie sehr prominent ist, aber ansonsten würde ich da mir mehr Feuer wünschen, was Feminismus und was wertegeleitete Außenpolitik anbelangt.

En su oficina, como enviado especial de la ONU.
Im Büro, als Sondergesandter der UNO in Lybien. Quelle: dpa

Und mit Herrn Fischer erlebten Sie die Anschläge des 11. September. Wolfgang Ischinger, heute Präsident der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz, war Botschafter in Washington. Sie waren im Auswärtigen Amt mit Fischer. Könnten Sie uns ein bisschen die Lage schildern? Was ist eigentlich passiert?

Jeder erinnert sich natürlich, wie das war. Das war in der Tat eine Zeitenwende. Wir sollten den Begriff jetzt nicht überstrapazieren. Ich meine, wenn man jedes Jahr sagt, da war eine Zeitenwende, dann geht die Besonderheit ein bisschen verloren. Aber das war eine Zeitenwende, vergleichbar vielleicht mit Pearl Harbor, nur viel schlimmer für die Amerikaner. Es war ein Angriff auf ihrem eigenen Territorium und jeder erinnert sich, was er da getan hat. Ich war mit Fischer bei einem Mittagessen mit dem jemenitischen Außenminister in dessen Hotel, als die Nachricht kam. Wir sind sofort ins Auswärtige Amt zurückgegangen und haben dann gesehen, wie das zweite Flugzeug in den zweiten Turm des World Trade Centers reinflog. Fischer hat unmittelbar mit Schröder telefoniert und ist sogar ins Kanzleramt gefahren. Beide haben mit Ischinger telefoniert, wie Sie sagen, der in Washington war, aber auch gerade erst angetreten war; er hatte seine erste Woche. Er hatte am 01. September angefangen, war praktisch auch neu, hat aber gleich in Gesprächen mit Schröder und Fischer diesen Begriff der uneingeschränkten Solidarität mit Amerika ins Spiel gebracht. Amerika hat dann aber auch selbst diesen Artikel 5 des NATO-Vertrages, also Angriff auf ein NATO-Territorium, einen NATO-Mitgliedstaat und die Beistandspflicht aller ins Spiel gebracht. Es gab dann recht schnell ein Außenministertreffen in Brüssel, ein NATO-Außenministertreffen und bereits am 19. September, ich weiß es genau, weil es mein Geburtstag ist, also 8 Tage nach dem 11. September, ist Fischer nach Washington und nach New York geflogen. Es war eine gespenstische Reise, die Flughäfen waren ja noch zu, das Land war im Schock. Wir haben dann in Washington Präsident Bush gesehen und Condoleezza Rice. Das war das einzige Mal, dass ich im Weißen Haus war und dem amerikanischen Präsidenten die Hand schütteln konnte. Das war eine schnelle Reise, eine Solidaritätsreise von Joschka Fischer. Wir sind nach New York geflogen, und wir haben den Einschlag gesehen, und in Washington haben wir auch das Pentagon besucht, wo das dritte Flugzeug reingeflogen ist. Das waren sehr aufregende Zeiten und das führte dann letztlich zu der Gegenreaktion der Amerikaner und Afghanistan. Der Afghanistan-Krieg war dann wirklich ein NATO-Einsatz im Rahmen dieser Beistandspflicht der NATO. Und besonders seltsam würde ich es jetzt nicht nennen, aber interessant war dann, dass ich 10 Jahre später selbst als stellvertretender Leiter der UNO-Mission in Kabul war und diesen Prozess dort zwei Jahre lang begleitet habe.

Sie waren auch im Auswärtigen Amt Leiter der Abteilung für Kultur und Kommunikation. Was bedeutet das im Einzelnen?

Wir sagen immer, dass es drei Pfeiler der Außenpolitik gibt. Das eine ist der politische Pfeiler, dann haben wir den Wirtschafts-Pfeiler und dann haben wir auch das, was wir die »soft power of Foreign Policy« nennen, die sanfte Kraft und das ist die deutsche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Sie haben in Montevideo auch ein Goethe-Institut, das kulturelle Veranstaltungen anbietet, die für die von-Tag-zu-Tag-Zusammenarbeit  Kulturbeziehungen sind. Wir haben ein Netz von deutschen Auslandsschulen, auch Uruguay ist Teil davon. Das ist die dritte Säule der Außenpolitik und die war damals mit einer Milliarde Euro ausgestattet, also das Auswärtige Amt hat das Geld für die Goethe-Institute, für Teile der Auslandsschulen und große Programme für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik bereitgestellt. Was wir damals gemacht haben, das war so ähnlich, wie das BMZ das schon hatte, für junge Menschen, die ins Ausland wollten. Sie können bei GIZ [Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit] oder ähnlichen Organisationen hospitieren , können dort drei Monate verbringen. Das haben wir auch für den Kulturbereich auf die Beine gestellt, durch ein Programm, über das wir junge Leute rekrutiert haben, die dann an Goethe-Instituten auf der ganzen Welt oder in Kulturabteilungen ein Praktikum gemacht haben, für drei bis sechs Monate, und auch richtig gearbeitet haben. Dann gab es auch das System »PASCH« zu unserer Zeit, also Partnerschulen, die keine deutschen Auslandsschulen sind, sondern in denen Deutsch unterrichtet wird. Und das gibt es heute auch noch und ich bin sehr froh. Wahrscheinlich haben Sie auch ein paar davon in Montevideo oder in Uruguay, deutsche Schulen, die bestimmte Kriterien erfüllen müssen. Man kann nicht nur ein bisschen Deutsch unterrichten, sondern es muss schon ordentlich sein, und dann wird man durch dieses PASCH-Programm durch Lehrer, durch Know-How, aber auch durch Geld unterstützt. Das ist alles zu unserer Zeit entstanden, PASCH, diese Westwärtsbewegung der jungen Leute, die hospitieren konnten, die ihre Praktika machen konnten. Und das machte ungeheuren Spaß.

Steinmeier y Kobler
Martin Kobler (Mitte) im Außenministerium mit dem damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU, links) und dem damaligen Außenminister und heutigem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD). Quelle: dpa

Wir hatten damals noch Geld, das war unter Minister Frank-Walter Steinmeier, der sehr stark auf die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik gesetzt hatte. Man muss sagen, Joschka Fischer hat das nicht wirklich interessiert. Steinmeier hat es zu einem seiner Schwerpunkte gemacht. Ich war damals Botschafter in Bagdad und wurde vom Staatssekretär angerufen und gefragt, ob ich das nicht machen wollte. Wir haben als zweites großes Programm die Vereinigung von zwei Abteilungen, Kommunikation und Kultur gehabt, weil beides zusammen gehört. Wir haben damals diese beiden Abteilungen zusammengeführt. Wir waren auch zuständig für das, was wir Deutschlandbild im Ausland nennen. 

Wenn Sie heute noch im Ausland fragen, wer ist der berühmteste Deutsche, was meinen Sie, wer da kommt? 

Da kommt Frau Merkel.

Es ist leider immer noch Hitler, dann kommt Beckenbauer, dann kommt Kohl und dann kommt Frau Merkel. Damit kann ein Land wie Deutschland nicht leben, wenn über 30% dann sagen: Ich meine, Hitler ist der bekannteste Deutsche. Da wollen wir schon etwas gegensteuern. Die Deutschland-Zentren wurden damals eingerichtet, die Vereinigung dieser beiden Abteilungen. Das war dann auch der Beginn der sozialen Medien, als es noch völlig umstritten war, ob das Auswärtige Amt auf ein soziales Medium wie Facebook gehen kann. Da sagte die Leitung des Hauses: »Das geht gar nicht.« Aber wir haben dort ein lebendiges Leben gehabt, natürlich mit vielen jungen Leuten. Ich war auch schon älter damals, aber wir haben mit vielen jungen Leuten darauf bestanden und wir haben ständig gesagt: »Natürlich müssen wir on, wenn Twitter da ist!« Das war völlig klar. 

Der neue deutsche Botschafter in Montevideo, in Uruguay, Stefan Duppel, war damals Teil dieser jungen Truppe im Auswärtigen Amt, in der Kulturabteilung. Ich habe gut mit ihm zusammengearbeitet und wünsche Ihnen in Uruguay alles Beste.

Vielen Dank für das Gespräch. Es war mir eine Ehre.

Prima. Ganz vielen Dank Ihnen, und alles Gute Ihnen und der Deutsch-Uruguayischen Gesellschaft. Und ich hoffe, dass ich mal bei Ihnen vorbeischauen kann.