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Interview mit Daniel Loureiro, Vizepräsident der Nationalen Hafenverwaltung Uruguays (ANP)

Deutschland zeigt Interesse an Uruguay. In der lateinamerikanischen Hafenlandschaft taucht der Hafen von Montevideo als eine strategische Schnittstelle auf, sowohl für Uruguay als auch für die gesamte Region. Der an der Mündung des Río de la Plata gelegene und an das ausgedehnte Netz der Wasserstraße Paraná-Paraguay angeschlossene Hafen ist das Rückgrat des Außenhandels in der Region und dient als Haupttor für die Ein- und Ausfuhr von Waren für Nachbarländer wie Argentinien, Paraguay und Brasilien.

Die Bedeutung des Hafens von Montevideo geht jedoch über die regionalen Grenzen hinaus. Deutschland, eine Weltwirtschaftsmacht, hat seinen Blick auf diesen strategischen Hafen als Teil eines epochalen Wandels in seinem geopolitischen Ansatz gerichtet. Der jüngste Besuch deutscher Politiker wie Franziska Brantner (Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Bündnis 90/Die Grünen) und des Hamburger Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) zeigt ein erneuertes Interesse an Kooperationen und Abkommen mit Uruguay, insbesondere im Bereich der Energie- und Hafeninfrastruktur.

Dieses Interesse seitens Deutschlands ist keine bloße diplomatische Geste, sondern schlägt sich in konkreten Vereinbarungen und Kooperationen nieder, die das Potenzial haben, den Hafen von Montevideo zu einem wahren regionalen Drehkreuz zu machen. Die Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit dem Hamburger Hafen und die Zusammenarbeit bei Hafen- und Technologieentwicklungsprojekten sind nur einige konkrete Beispiele für diese laufende Partnerschaft.

Die Positionierung Montevideos als regionales Drehkreuz bedeutet nicht nur eine größere logistische und operative Effizienz, sondern verleiht Uruguay auch eine wichtige Rolle in der neuen geopolitischen Realität. Mit der Modernisierung des Hafens und dem Ausbau seiner Umschlagskapazität positioniert sich Uruguay als einer der Hauptakteure in der Handelsdynamik zwischen dem Mercosur, der Europäischen Union und China.

In diesem Zusammenhang wird der Hafen von Montevideo zu einem Motor des Wirtschaftswachstums und zu einem grundlegenden Teil des globalen geopolitischen Puzzles. Seine Entwicklung zu einem regionalen Drehkreuz kommt nicht nur Uruguay zugute, sondern trägt auch zur nachhaltigen Entwicklung und wirtschaftlichen Integration der gesamten Region bei.

In diesem Sinne haben wir den Kapitän und derzeitigen Vizepräsidenten der Nationalen Hafenverwaltung (ANP) –  SPA, Daniel Loureiro, interviewt.

Cap de Navío: Daniel Loureiro
Daniel Loureiro, Vizepräsident der Nationalen Hafenverwaltung Uruguays (ANP)

 

Der Hafen von Montevideo

Welche Bedeutung hat der Hafen für das Land und für die Region?

Der Hafen von Montevideo ist der wichtigste Überseehafen und das wichtigste Frachtterminal Uruguays. Er liegt strategisch günstig an der Mündung des Río de la Plata, ganz in der Nähe der Gewässer des Südatlantiks und ist über die Wasserstraße Paraná-Paraguay mit dem Hinterland des Einzugsgebietes des Río de la Plata verbunden. Dies macht ihn zu einem Umschlags- und Ausfuhrort für regionale Güter, insbesondere aus Paraguay, aus dem Norden und Süden Argentiniens, sowie aus dem Süden Brasiliens und in naher Zukunft wahrscheinlich auch aus Bolivien.

Die Positionierung des Hafens von Montevideo als regionales Drehkreuz ist neben seiner privilegierten geografischen Lage auch auf die Umsetzung einer Politik öffentlicher und privater Investitionen in spezialisierte Terminals und die kontinuierliche Tieferlegung seines Zugangs zum Meer und zu seinen Binnenhäfen zurückzuführen.

Hafen von Montevideo
Hafen von Montevideo Quelle: Regierung Uruguay

 

Wodurch unterscheidet sich dieser Hafen von anderen in Lateinamerika?

Montevideos Wettbewerbsvorteil liegt in der Qualität seiner Logistikdienste, die die Freihafenregelung dem Transitfrachtverkehr bietet, die Konsolidierung, Entkonsolidierung und Zerlegung sowie Mehrwertoperationen in mehreren Logistiklagern im Hafen ermöglicht.

Neben dem Angebot an Hafendienstleistungen gibt es das Angebot an Zollfreigebieten und Industrieplattformen außerhalb des Hafens, die die Ansiedlung von Industrien ermöglichen, die ihre Fracht über das Hafenterminal von Montevideo befördern. Dort kommen hochmoderne Großcontainerschiffe an, die eine hohe Produktivität beim Be- und Entladen aufweisen. Die derzeitige Tiefe des Zufahrtskanals und der inneren Docks beträgt 13 Meter, und die geplante Tiefe wird bald 14 Meter betragen, was ein maßgebliches Unterscheidungsmerkmal ist, das es Montevideo ermöglicht, sich beim Umschlag von Containern, Fahrzeugen, Massengütern, usw. zu positionieren.Eine Besonderheit des Hafens von Montevideo ist seine große Seeverkehrsanbindung an den Rest der Welt durch regelmäßige Dienste, die ihn wöchentlich mit den wichtigsten Märkten in Asien, der Karibik, den USA und Europa verbinden.

Welche Länder sind die Hauptinvestoren im Hafen?

Im Hafengebiet gibt es privates Kapital nationalen Ursprungs, das mit den Logistikdepots verbunden ist, und einen hohen Anteil an privaten Investitionen aus der Europäischen Union in den auf Container und Zellulose spezialisierten Terminals. Die Investitionsfonds sehen in den Häfen eine Möglichkeit, sich an den in Entwicklung befindlichen Arbeiten der privaten Akteure zu beteiligen. Gleichzeitig tätigt die ANP jedes Jahr bedeutende Investitionen im öffentlichen Bereich, um ein hohes Niveau der angebotenen Dienstleistungen zu konsolidieren.

Im speziellen Fall des auf Container spezialisierten Terminals TCP, einem Joint Venture mit der Hafenbehörde, werden Infrastrukturprojekte in der Größenordnung von 600 Millionen Dollar durchgeführt. Im Rahmen dieser Arbeiten wird ein zweiter Kai von 730 Metern Länge angelegt und der derzeitige Containerhof um 22 Hektar erweitert, so dass insgesamt 58,5 Hektar in Konzession für die Lagerung von Containern zur Verfügung stehen. Die Arbeiten werden 2025 abgeschlossen sein, und das Terminal wird dann mit bis zu vier Containerschiffen gleichzeitig betrieben werden können, wofür 1.300 Meter Kaimauer zur Verfügung stehen.

 

Deutschland und seine Zusammenarbeit mit Uruguay

Deutschland befindet sich in einem »epochalen Wandel«, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem 24. Februar 2022, dem Beginn des Ukraine-Konflikts, mehrfach erklärte. Dieser Wandel erweist sich für viele Nationen und Regionen als sehr vorteilhaft. Sehen Sie ein erhöhtes deutsches Interesse an der Region und insbesondere an Uruguay?

Auf jeden Fall. Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Region sind historisch gewachsen, aber die jüngsten Ereignisse in Europa, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst wurden, haben das deutsche Interesse an Uruguay gestärkt, insbesondere im Energiebereich.

Wie sollte Uruguay Ihrer Meinung nach vorgehen, um von dieser Situation zu profitieren, in der das Land mit anderen Augen gesehen wird, mit dem Wunsch zu investieren? 

So wie es die nationale Regierung getan hat, indem sie die Öffnung der Märkte und die Öffnung gegenüber der Welt gefördert hat.

Uruguay wurde von wichtigen Politikern aus Deutschland besucht, u.a. von der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), und dem Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Woran genau waren sie interessiert? Konnte sich eine Vereinbarung abzeichnen?

Im August 2022 besuchte uns der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Peter Tschentscher, in Begleitung eines großen offiziellen Gefolges in der ANP. Das Gleiche geschah im September 2023, diesmal in Anwesenheit des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner. Beide wurden vom Vorstand der ANP empfangen und waren daran interessiert, sich über den Kurs der uruguayischen Hafenpolitik und dem damit verbundenen Potenzial zu informieren. Die Besuche der beiden wurden durch eine Besichtigung des Spezialcontainerterminals TCP ergänzt, wobei die Besucher die Möglichkeit hatten, sich ein Bild von den Abläufen zu machen und die laufenden Arbeiten zu verstehen. Herr Lindner hatte auch die Gelegenheit, das spezialisierte Zellstoffterminal von UPM zu besichtigen und sich über dessen Möglichkeiten zu informieren. 

Peter Tschentscher
Daniel Loureiro mit Peter Tschentscher, Hamburger Bürgermeister im Hafen von Montevideo. Quelle dpa.

 

Im Anschluss an den Besuch von Herrn Tschentscher wurde eine Absichtserklärung zwischen der ANP und dem Hamburger Hafen unterzeichnet, die bereits 2005 und 2013 unterzeichnet worden war, aber nie umgesetzt wurde. Die anwesenden Behörden dokumentierten ihre Bereitschaft, den Austausch von Wissen, Erfahrung und Beratung in den Bereichen Umweltschutz, Emissionsreduzierung in Häfen, Häfen als Energiezentren mit Schwerpunkt auf grünem Wasserstoff, Marktforschung, Marketing, Kommunikation, Tourismus, Gefahrenabwehr in Häfen, Baggerbetrieb und Multimodalität zu stärken und zu fördern.

Was genau bedeutet die Unterzeichnung mit dem Hamburger Hafen?

Als unmittelbare Folge dieses Fortschritts wurden im September 2023 die Leiterin des Vertriebsbereichs, der Leiter der elektromechanischen Abteilung der ANP und Unterzeichner der Absichtserklärung, vom Vorstandsvorsitzenden des Hamburger Hafens, Jens Meier, empfangen, wobei Informationen über den Containerumschlag von Montevideo als Drehkreuz, Kommunikationstechnologien und erneuerbare Energien ausgetauscht wurden. Darüber hinaus fand ein technischer Besuch in den Hafenanlagen statt, bei dem über die Erfahrungen im Bereich des elektrischen Anschlusses von Schiffen, die Anforderungen des Hafens an grünen Wasserstoff und alternative Kraftstoffe sowie die Verringerung von Emissionen und die Umweltstrategie des Hamburger Hafens informiert wurde. Die Erfahrung war äußerst nutzbringend, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass im nächsten Jahr der weltgrößte elektrische Hochgeschwindigkeitskatamaran, der von der INCAT-Werft in Tasmanien, Australien, gebaut wird, das Terminal von Colonia in Uruguay mit dem Hafen von Buenos Aires in Argentinien verbinden wird.

Ein weiterer Nebeneffekt des Treffens mit Jens Meier, dem derzeitigen Präsidenten der International Association of Ports and Harbors (IAPH), war sein Angebot an die Hafenbehörde von Uruguay, das Amt der Vizepräsidentschaft der IAPH für die Region Südamerika zu übernehmen, was uns mit Stolz und Anerkennung für seine Person erfüllte, was aber angesichts des bevorstehenden Endes der Amtszeit der derzeitigen Behörden nicht als angemessen erscheint.

Paganini und Robert Habeck
Omar Paganini und Robert Habeck in Deutschland. Quelle: Regierung Uruguay

 

Was bedeutet es, Montevideo als regionales Drehkreuz zu positionieren?

Es geht darum, die Aus- und Einfuhr für die Region weiter anzukurbeln, die unterschiedlichen logistischen Eigenschaften wie die Betriebsbedingungen zu fördern und zu verbessern, die Infrastrukturen an die modernsten Schiffe der Schifffahrtsindustrie anzupassen, eine breite Palette von Dienstleistungen anzubieten, die Umweltverträglichkeit, Flexibilität der Zollbehörden und eine hohe Produktivität zu gewährleisten sowie angemessene Tarife und eine gute Sicherheitsmarge zu haben. Kurz gesagt, um bei der Ausfuhr hochwertiger Hafendienste mitgeltend zu sein. Zu diesem Zweck ist es auch unumgänglich, eine hervorragende multimodale Anbindung an das Hinterland aufrechtzuerhalten, um regionale Güter sicher und wirtschaftlich zu transportieren.

So wickelt Paraguay bspw. seinen Außenhandel derzeit über den Hafen von Montevideo ab, der sowohl auf dem Landweg als auch per Binnenschiff über die Wasserstraße Paraná-Paraguay erreicht wird. Güter aus dem Norden und Süden Argentiniens kommen im Hafen an und werden auf hochmoderne Schiffe umgeladen, um die Weltmärkte zu erreichen. Das Konzept des Drehkreuzes gilt auch für Fahrzeuge, die in der nördlichen Region von Zárate, in Argentinien, hergestellt werden, da die Exporte von Montevideo an Bord von Ro-Ro-Schiffen in letzter Zeit zugenommen haben.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2024 wird der Zugverkehr im Hafengebiet wieder aufgenommen, wodurch die Anbindung an das Landesinnere und den Süden Brasiliens ausgebaut werden kann. In diesem Sinne prüft die ANP das Entwicklungsprojekt des Trockenhafens von Rivera, der an der Grenze zu Brasilien und 500 Kilometer von Montevideo entfernt liegt und über eine direkte Zugverbindung mit dem Hafen verbunden ist, mit dem Ziel, seine Reichweite auf den Norden Uruguays und den Süden Brasiliens auszuweiten. 

Im Hinblick auf das Marketing ermöglicht die Positionierung Montevideos der Hafen- und Logistikgemeinschaft, sich gemeinsam auf internationaler Ebene zu präsentieren und die Hafendienstleistungen zu fördern. Die nationale Hafenverwaltung nimmt regelmäßig an internationalen Messen teil, auf denen sie ihre Terminals für die Region anbietet, sowohl für das Massengut- und Containerlogistikgeschäft als auch für den Kreuzfahrttourismus.

 

Uruguay in der Geopolitik

In der Vergangenheit haben Häfen einen wichtigen Platz in der Geopolitik eingenommen, sei es als Marinestützpunkte in kriegerischen Auseinandersetzungen oder als wirtschaftliche Drehkreuze. Glauben Sie, dass der Hafen von Montevideo Uruguay einen wichtigen Platz in der neuen geopolitischen Realität einräumt?

Uruguay hat eine lange Tradition, die Einrichtung ausländischer Militärstützpunkte auf seinem Territorium nicht zuzulassen. Die Strategie der Tieferlegung des Hafens von Montevideo ermöglicht es, große Schiffe anzulocken. Diese Bemühungen um die Modernisierung der Infrastruktur ermöglichen die Aufnahme von Schiffen der neuesten Generation, was sich auf die Transportkapazität und die Wettbewerbsfähigkeit des Hafenbetriebs auswirkt. Die neue Realität, die durch die Vertiefung auf 14 Meter und die Entwicklung spezialisierter Terminals geschaffen wird, wird es uns ermöglichen, uns als wirtschaftliches Zentrum für das Einzugsgebiet des Hafens zu positionieren.

Wie steht das Land zum Mercosur, zur Europäischen Union und zu China?

Uruguay fördert das Wachstum des Außenhandels entweder durch bilaterale oder Block-zu-Block-Beziehungen und versucht, das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Exporte zu steigern. Historisch gesehen besteht ein starker Handel mit China und Brasilien; im Januar 2024 stiegen die Ausfuhren um 8 %. Die wichtigsten Exportgüter Uruguays sind Fleisch, Fahrzeuge, Zellulose, forstwirtschaftliche Erzeugnisse, Massengüter an Lebensmitteln und andere Produkte, die den Handel mit der Region und der Welt beleben. Es zeigt sich, dass die Nachfrage nicht nur für Uruguay, sondern auch für andere Länder der Region aufrechterhalten wird, da der Hafen von Montevideo den Transit zu verschiedenen Zielen in der Europäischen Union und in Asien abwickelt.

Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Loureiro.

Das Interview wurde von Nahuel González Frugoni geführt und ins Deutsche übersetzt von Stefanie Kammeyer.