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Interview mit Hartmut Koschyk: »Die Politik in Deutschland sollte unser Konzept der ›Bürgerdiplomatie‹ in Zukunft noch stärker nutzen«

Zur Person

Hartmut Koschyk, geboren am 16. April 1959 in Forchheim/Oberfranken. Ehemaliger Bundestagsabgeordneter. Von 2009 bis 2013 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen. Zuvor von 2005 bis 2009 Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Von 2014 bis 2017 war Koschyk Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Seit 2004 ist er Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Verbundenheit.

Hartmut Koschyk. Quelle: Hartmut Koschyk Website
Hartmut Koschyk. Quelle: Hartmut Koschyk (Website)

 

Wer sind Sie?

Mein Name ist Hartmut Koschyk. Ich bin 1959 in der fränkischen Königsstadt Forchheim geboren. Ich habe dort humanistisches Abitur gemacht, war Zeitsoldat bei der Bundeswehr und ich habe Geschichte und politische Wissenschaft studiert. Ich war 27 Jahre lang Abgeordneter des Deutschen Bundestages, davon vier Jahre Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und vier Jahre Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Seit ihrer Gründung im Jahr 2004 bin ich Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Verbundenheit. 

Wir hören oft vom Konzept »Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik«. Was bedeutet das im Einzelnen?

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) wird gerne als die dritte Säule der deutschen Außenpolitik bezeichnet, weil man erkannt hat, dass die Kulturbeziehungen, der Kulturaustausch, der Austausch über Fragen von Bildung und Wissenschaft ein ganz elementarer Bereich der Beziehung von Staaten untereinander, aber auch für die internationale Politik darstellen. Deshalb hat die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik an Bedeutung gewonnen, nicht nur in Deutschland und in der Zusammenarbeit mit vielen Ländern dieser Welt, sondern auch in der internationalen Politik. Wir merken, dass oftmals Kultur, Bildung und Wissenschaft wichtiger sind als die klassische Diplomatie und die unmittelbaren Staatsbeziehungen, denn diese Themen wirken sehr stark in die Zivilgesellschaft hinein. Und vor allem geht es darum, das Verständnis, das Wissen und die Empathie von Menschen und Ländern untereinander zu stärken.

 

»Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik hat an Bedeutung gewonnen«

Nahuel Gonzalez Frugoni leiter der DGAP und Hartmut Koschyk
Nahuel González Frugoni (DGAPUY) und Hartmut Koschyk in Berlin. Quelle: Nahuel González Frugoni (privat)

 

Ich sage immer, Herr Koschyk, wenn alles zusammenbricht, auf der Ebene der klassischen Diplomatie, was bleibt am Ende? Die Beziehungen im Bereich Kultur, zwischen Menschen. Aus diesem Grund spielt die AKBP auch eine ganz wichtige Rolle.

Ja, genau. 

Der Bürgerkrieg in Syrien, Millionen von Menschen auf der Flucht, der Angriffskrieg in der Ukraine, Terroranschläge in Europa. Wie können kulturelle Beziehungen in solchen Krisen weiterhelfen? 

Man muss natürlich präventiv arbeiten. Leider kann auch beste Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik Konflikte und Krisen nicht verhindern. Aber sie kann jenseits der klassischen Diplomatie, der klassischen Wirtschaftsbeziehungen stärker in die Zivilgesellschaft hineinwirke. Besonders in Krisenzeiten muss man über Brücken der Kultur, der Bildung, der Wissenschaft auch mit den Ländern, mit denen man sich im Konflikt befindet, in einem gewissen Austausch bleiben. So kann die AKBP eine präventive Wirkung entfalten, sie kann aber auch Konflikte und Krisen abmildern. Schließlich vermag sie nach der Überwindung von Krisen und Konflikten die Zivilgesellschaften wieder zusammenzuführen.

Am Beispiel Uruguay kann man erkennen, dass es Länder gibt, die sehr viel in die AKBP investieren. Frankreich ist in diesem Bereich z.B. sehr präsent im Land. Denken Sie, dass Deutschland hier noch mehr investieren sollte?

Ich finde, bei aller Konzentration und der Begrenzung von Haushaltsressourcen darf es keine weißen Flecken für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik Deutschlands geben. Jedes Land auf der Welt, zu dem wir diplomatische Beziehungen pflegen, ist ein wichtiges Land. Und erst recht beim Thema Bildung, sowohl von politischen als auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Stiftung Verbundenheit ausgehend, dürfen wir kein Land unberücksichtigt lassen.

 

»Jedes Land auf der Welt, zu dem wir diplomatische Beziehungen pflegen, ist ein wichtiges Land.«

Wir wirken durch unser #JungesNetzwerk und durch die Kooperation mit deutschen Vereinen in die Fläche der Länder Lateinamerikas hinein, wo die klassischen Träger der AKPB gar nicht hinkommen. Daher sollte die Politik in Deutschland unser Konzept der »Bürgerdiplomatie« in Zukunft noch stärker nutzen, damit keine weißen Flecken in den kulturellen, Bildungs- und Wissenschaftsbeziehungen zu Ländern entstehen.

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Hartmut Koschyk neben der damaligen deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Quelle: Hartmut Koschyk (Website)

 

Der von Putin provozierte Krieg gegen die Ukraine bedeutet eine Zeitenwende für die deutsche Außenpolitik. In diesen Zeiten zeigt Deutschland aus strategischen Gründen Interesse an Lateinamerika. Wie kann die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und auch die Arbeit der Stiftung Verbundenheit in Lateinamerika Türen öffnen?  

Wir sind ja lange vor Putins Angriffskrieg auf die Ukraine in Lateinamerika aktiv geworden. Wir haben unser Projekt 2019 begonnen, weil wir uns dieser traditionellen Verbundenheit Deutschlands mit vielen Ländern Lateinamerikas, die Ziel deutscher Einwanderung gewesen sind, bewusst waren. Das ist natürlich eine ganz wichtige Brücke, die von der deutschen Politik sehr lange nicht hinreichend wertgeschätzt worden ist. Daher sind wir dem Deutschen Bundestag sehr dankbar, dass er unsere Tätigkeit in Lateinamerika von Anfang an unterstützt hat. Heute erkennt man immer stärker in den deutschen Botschaften und im Auswärtigen Amt, dass die Tätigkeit der Stiftung Verbundenheit eine erhebliche  Breiten- und Tiefenwirkung erzielt über die deutschen Vereine und das #JungesNetzwerk  in die Zivilgesellschaften Lateinamerikas hinein. 

Nach über fünf Jahren Arbeit in Lateinamerika können wir eine eindrucksvolle Bilanz vorweisen, die sich in hunderten von Projekten und mehreren tausend Mitgliedern des #JungesNetzwerk, aber auch in der Modernisierung, Verjüngung und Reaktivierung der deutschen Vereine widerspiegelt.

Herr Koschyk, vielen Dank für das Interview.

Stiftung Verbundenheit

Die Stiftung Verbundenheit unterstützt die Selbstorganisation und Vernetzung deutscher Minderheiten und deutschsprachiger Gemeinschaften sowie an Deutschland interessierter Personen. Damit trägt die Stiftung zur Förderung der deutschen Sprache und Kultur, der Tradition der im Ausland lebenden deutschen Minderheiten und Gemeinschaften sowie zur Stärkung ihrer Rolle als Multiplikatoren der kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Auslandsbeziehungen Deutschlands bei.

#JungesNetzwerk

Das lateinamerikanische Projekt der Stiftung Verbundenheit. Die Bürgerdiplomatie-Initiative #JungesNetzwerk umfasst mehr als 1.700 Mitglieder in 13 Ländern der Region.

Hartmut Koschyk Website