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Kira Potowski im Interview. Geschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Uruguay.

Wer sind Sie?

Mein Name ist Kira Potowski, ich bin Geschäftsführerin der Auslandshandelskammer in Uruguay, der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Uruguay.

Was bedeutet das?

Ich führe die Auslandshandelskammer, diese besteht seit 1916. Als erste Frau auf
diesem Posten als Geschäftsführerin bin ich sehr stolz darauf. Vor mir hat es noch nie Frauen in dieser Position gegeben. Natürlich kann man sich dann fragen, was man als Geschäftsführerin eigentlich macht. Man führt die Geschäfte, in dem Fall die der Auslandshandelskammer, und repräsentiert die deutsche Wirtschaft in Uruguay.

Sie repräsentieren die Interessen der deutschen Wirtschaft in Uruguay. Wie wissen Sie, was diese Interessen sind? Bekommen Sie beispielsweise jeden Tag eine Mail vom Ministerium, in der geschrieben steht, was in Uruguay gemacht werden soll? Wie kann man sich das genau vorstellen?

Nein. Aus Deutschland erfahren wir, welche die für Deutschland interessanten Sektoren sind. Im Moment sind das beispielsweise grüner Wasserstoff, Energiethemen und verschiedene andere Sektoren. Anschließend können wir hier in vor Ort in Uruguay gucken, was das Potenzial in diesen Sektoren ist. Gibt es Firmen hier in Uruguay, mit denen man die deutschen Firmen in Kontakt bringen kann? Was ist das Interesse deutscher Firmen, die hier schon in Uruguay sind? Es gibt zum Beispiel ein Interesse, dass das Freihandelsabkommen zwischen der EU und MERCOSUR abgeschlossen wird. Wir bekommen also von beiden Seiten, durch Gespräche und Analysen, mit was diese Interessen sowohl für Lateinamerika und speziell Uruguay sind, und andersherum.

Haben Sie freie Hand, um diese Entscheidungen zu treffen? Oder gibt das Ministerium Ihnen vor, mit welchen Firmen Sie ein Projekt entwickeln sollen?

Nein, das ist nur nachfrageorientiert. Wir analysieren, welche Nachfrage besteht bei deutschen Firmen in Deutschland, was könnte man denen in Uruguay anbieten, wenn sie Uruguay noch nicht kennen. Dafür organisieren wir dann Delegationsreisen oder Geschäftspartnervermittlungen. Sobald wir herausfinden, dass in Uruguay  großes Interesse besteht, die Technologie in der Landwirtschaft kennenzulernen, organisieren wir eine Delegation uruguayischer Firmen auf die »Messe Agritechnica«, in Deutschland.

Agritechnica 2023 in Hannover
Agritechnica 2023 in Hannover. Quelle: Deutsche Presse-Agentur

 

Sie sind also quasi eine Botschafterin für die deutschen Unternehmen in Uruguay?

Genau, das kann man so sagen. Jedoch nur für die Wirtschaftsbeziehungen und nicht die politischen Beziehungen.

Und wie kann man Leiterin der AHK werden? Im Auswärtigen Amt zum Beispiel muss man, um Botschafter zu werden, viele Prüfungen bestehen, ein Jahr im Ausland verbringen, sowie weitere Voraussetzungen erfüllen. Wie ist das bei der AHK, ist es genau so?

Nein, man fängt an bei der Auslandshandelskammer zu arbeiten. Es gibt an 150 Standorten in 93 Ländern die AHKs, also das Netz der Auslandshandelskammern. Es ist sehr international aufgestellt. Das heißt: Ich habe sechs Jahre in Mexiko an der AHK Mexiko gearbeitet als Abteilungsleiterin. Danach bin ich zwei Jahre in Berlin im Mutterhaus, also der DIHK (Deutsche Industrie- und Handelskammer in Berlin) tätig gewesen. Das ist die Kammer, welche die ganzen AHKs weltweit betreut, aber auch die IHKs selbst. Die IHKs sind die Industriehandelskammern in Deutschland, von denen es 80 insgesamt gibt, wie die IHK Berlin, IHK München oder IHK Köln.

Gibt es für jede Stadt eine IHK?

So ungefähr, genau. Für jede größere Stadt und dann für jede Region.

Aber das hängt direkt von der Region ab. Zum Beispiel das Ruhrgebiet.

Genau, dort es gibt 5-6 IHKs: IHK Düsseldorf, IHK Essen, IHK Bochum, etc. Es ist sehr groß und ich habe mich eben auf diese Position hier beworben. Anders als im Auswärtigen Amt kommt es nicht auf Prüfungen, die man leisten muss, an, sondern auf die Erfahrungen im AHK- Netz und den Lebenslauf.

IHK Ruhrgebit
IHK Mittleres Ruhrgebiet in Bochum. Quelle: Radio Bochum

 

Sie haben etwas ganz Interessantes gesagt, nämlich, dass Sie auch in Mexiko gearbeitet haben. Auch habe ich in einem Artikel gelesen, dass Sie in Lateinamerika arbeiten wollten. Aber warum wollen Sie in Lateinamerika arbeiten? Es ist nicht so typisch. Ich denke zum Beispiel an die Menschen in Südamerika, sie wollen nach Europa reisen, um dort zu arbeiten oder leben. Warum aber wollen die Menschen aus Europa in Lateinamerika arbeiten? Was sind Ihre Beweggründe?

Die Mentalität, die Sprache, mein Interesse an der Wirtschaft und der Kultur, die Vielfältigkeit an der Region, und ich fühle mich dieser Region einfach mehr verbunden als zum Beispiel mit Asien oder Afrika.

Auf der Webseite der AHK steht, dass sie Partner für erfolgreiche Geschäfte in Uruguay ist. Was bedeutet das? Ein Partner in Uruguay, für wen?

Das bezieht sich auf die deutschen Firmen in Deutschland. Diese Firmen interessieren sich für Uruguay. Sie waren noch nicht in Uruguay. Durch uns, durch die AHK, bekommen sie den Markteinstieg und den Markteintritt erleichtert. Beispielsweise meldet sich eine Firma aus Deutschland und äußert Interesse am Potenzial des grünen Wasserstoffs. In diesem Fall bieten wir umfassende Informationen an und unterstützen bei der Suche nach potenziellen Geschäftspartnern. Wenn die Firma daraufhin explizit nach zehn potenziellen Geschäftspartnern fragt, nachdem sie die Informationen erhalten hat, initiieren wir eine gezielte Suche in Uruguay und schlagen mögliche Partner vor. Dabei unterstützen wir auch bei der Koordination von Treffen und bieten möglicherweise Begleitung während der Termine an, um den Markteintritt in das Land zu erleichtern. Wenn die deutsche Firma den Wunsch äußert, auch hier ein Büro zu eröffnen, bieten wir beispielsweise die Möglichkeit, auf unser Mitgliedsnetzwerk zuzugreifen. Innerhalb unserer Mitgliedschaft von über 200 Firmen bei der AHK finden sich verschiedene Fachleute wie Buchhalter, Rechtsanwälte, und Steuerberater. Da wir wissen, dass zumindest eine Person in diesem Unternehmen Deutsch spricht, können wir diese Person gezielt mit der deutschen Firma in Kontakt bringen. Somit unterstützen wir bei der Suche nach Büroflächen, Immobilien, Buchhaltern und Steuerberatern durch unseren speziellen »German Desk«. Der »German Desk« ist einfach eine Liste von zehn Mitgliedsfirmen, aus verschiedenen Bereichen, die zumindest eine Person haben, welche mit der deutschen Firma auf Deutsch kommunizieren kann.

Vielen Unternehmen in Deutschland fehlt es an qualifiziertem Personal. Laut Statista wird der Fachkräftemangel von vielen Unternehmen als größtes Geschäftsrisiko der Zukunft eingeschätzt. Wie kann die duale Ausbildung dabei helfen?

Das sind zwei verschiedene Themen. Einmal Fachkräftemangel in Deutschland.
Viele AHKs unterstützen Jugendliche aus Ländern wie Nordafrika, Kolumbien, Brasilien und anderen Ländern, in denen viele Jugendliche keine Arbeitsmöglichkeiten haben. Sie fördern Programme, die diesen Jugendlichen Perspektiven durch Ausbildung in Deutschland bieten. Der uruguayische Markt und andere Länder sind anders geartet. Hier liegt der Fokus darauf, die Jugend im eigenen Land zu halten und sie lokal auszubilden. Daher gibt es in Uruguay das duale Ausbildungssystem. Wenn die AHK Uruguay den Fachkräftemangel in Deutschland unterstützen möchte, müsste sie den Jugendlichen Programme anbieten, die es ihnen ermöglichen, in Deutschland in Bereichen wie Gastronomie oder Pflege tätig zu werden. Solche Programme sind beispielsweise in Indien und in nordafrikanischen Ländern wie Ägypten erfolgreich, wo viele Jugendliche keine Zukunftsperspektiven in ihrem eigenen Land sehen. Hier in Uruguay fokussieren wir uns darauf, dass die Jugend eine qualitativ hochwertige Ausbildung erhält, die auch praktische Erfahrungen im Unternehmen beinhaltet. Dies entspricht dem Konzept der dualen Ausbildung. Dabei beschränkt sich die Ausbildung nicht nur auf den Schulbesuch, sondern beinhaltet auch Praktika oder längere Aufenthalte in Unternehmen während der Schulzeit. Auf diese Weise können die Jugendlichen praktische Erfahrungen sammeln und sich beruflich weiterentwickeln.

Es ist die Idee, diese Menschen nur in Uruguay auszubilden.

Genau, und wie? Wir versuchen natürlich, die Unternehmen, also unsere 200 Mitgliedsfirmen, für den Mehrwert der dualen Ausbildung zu sensibilisieren und dies zu kommunizieren. Wir stehen im Kontakt mit Ausbildungszentren wie ANIMA und Los Treboles. Diese Institutionen unterrichten Schüler bis zur zehnten Klasse und schicken sie dann für einige Zeit in Firmen. Unser Ziel ist es, als Bindeglied zwischen unseren Firmen und diesen Institutionen zu fungieren.

Bei der AHK in Argentinien ist die Lage ganz anders. Dort schicken sie Menschen nach Deutschland durch die duale Ausbildung.

Genau, in Argentinien ist das anders. Dort gibt es sehr wahrscheinlich viel mehr Jugendliche, welche keine Perspektive in Argentinien sehen und somit nach Deutschland geschickt werden wollen. Dabei könnte die AHK Argentinien womöglich unterstützen. Dies ist allerdings von Land zu Land, und von Auslandskammer zu Auslandskammer unterschiedlich.

Wenn wir über Zukunftsaussichten sprechen, liegt es nahe, über Wasserstoff zu sprechen. Lässt sich angesichts des Krieges in der Ukraine sagen, dass mehr Interesse von Deutschen besteht, die in Uruguay investieren wollen?

Wir beobachten, dass immer mehr Deutsche nach Uruguay kommen, um sich hier eine Immobilie zu kaufen und möglicherweise ihre letzten Jahre zu genießen oder auch, um Deutschland zu verlassen und hier ein neues Leben zu beginnen.

Paganini und Robert Habeck
Omar Paganini und Robert Habeck. Quelle: gub.uy

 

Die Europäische Union und Uruguay verstärken ihre Zusammenarbeit in den Bereichen erneuerbarer Energie? Worum geht es?

Im März 2023, im vergangenen Jahr, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter der Leitung von Minister Robert Habeck eine Energieallianz mit Omar Paganini, damals Minister, unterzeichnet. Diese Allianz zielt darauf ab, Energiethemen auf Regierungsebene, also zwischen den Regierungen, insbesondere auf Ministerebene, verstärkt zu fördern. Nach der Unterzeichnung zeigt sich, dass Deutschland Uruguay als einen äußerst interessanten Partner für Energiethemen betrachtet, da Deutschland über die fast hundertprozentige Erzeugung erneuerbarer Energien Bescheid weiß. Insbesondere das Energieministerium in Deutschland erkennt das Potenzial von Wasserstoff in Uruguay. Aufgrund des Ukraine-Kriegs wird das Interesse Deutschlands an Ländern, die grünen Wasserstoff produzieren können, verstärkt. Uruguay plant, grünen Wasserstoff in den nächsten 30 bis 40 Jahren zu produzieren und zu exportieren. Die Frage, ob es möglich sein wird, grünen Wasserstoff von Uruguay nach Deutschland zu transportieren, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig beantworten, da dies erst in 30 bis 40 Jahren eventuell der Fall sein wird. Es gibt ein paar deutsche Firmen, welche sehr interessiert sind. »Enertrag« ist zum Beispiel eine Firma aus Deutschland, die in Tambores ein Projekt plant und eine Fabrik aufbauen will, in der eben grüner Wasserstoff hergestellt wird. Dieses Projekt befindet sich noch in der Entwicklungsphase und verschiedene Genehmigungen wurden eingeholt, unter anderem vom Ministerium für Umwelt. Die Investition ist beträchtlich, und Enertrag ist ein »First Mover« auf diesem Gebiet. Bisher gibt es keine vergleichbaren Projekte oder Fabriken, und Enertrag ist die erste deutsche Firma, die in den uruguayischen Markt in diesen Sektor investiert. Die Zukunft bleibt jedoch ungewiss, und niemand kann vorhersagen, was geschehen wird. Wir beabochten dennoch täglich, wie sich die Wirtschaftsbeziehungen beider Ländern entwickeln und entwicklen werden.

Frau Potowski, vielen Dank für das Interview.