Es ist eine Wahl zwischen Krieg und Frieden, aber vor allem eine Wahl von geopolitischer Bedeutung. Welche außenpolitischen Auswirkungen haben die Wahlergebnisse? Warum ist es ein kritischer Punkt der deutschen Zeitenwende?
Bei der Wahl in Taiwan wurde Lai Ching-te von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) zum Präsidenten gewählt. Es hieß, die Bevölkerung Taiwans habe bei diesen Wahlen ihre feste Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, die Werte von Demokratie und Freiheit zu verteidigen. Diese Entscheidung der Nation ist zweifellos ein Stolperstein auf Chinas Weg zur Supermacht. Gewiss rütteln diese Wahlergebnisse an den Grundfesten der Geopolitik und sicherlich wird sich erweisen, dass die Folgen auch Deutschland und die Europäische Union erreichen. Lai Chin-te steht für die Unabhängigkeit der kleinen Insel Taiwan. Sofort nach der Wahl reagiert China mit scharfen Vorwürfen auf den Wahlsieg. Der Grund dafür ist durchaus klar und spürbar: Die DPP setzt sich für eine unabhängige Identität des Landes ein, während China Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet, die wieder vereinnahmt werden soll.
Ein entscheidender Ort der Weltpolitik
Taiwan ist zu einem entscheidenden Ort der Weltpolitik geworden, denn es handelt sich nicht nur um eine der wichtigsten Handelsrouten, die nahezu jedes zweite Containerschiff passieren muss. Durch viele Interessen der Geopolitik lässt sich das Land beeinflussen, insbesondere aus der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. Käme es zu einer militärischen Auseinandersetzung aufrgrund einer Fehlkalkulation der Diplomatie, wäre das ein Alptraum für Deutschland und Europa.
Peking lehnt ausländische Einmischung in diesem Zusammenhang stark und mit scharfem Ton ab. Welche Logik steht dahinter? Die Interessen der US-Regierung sind, dass keine Maschine nach China verkauft werden darf. Warum sprechen wir über Maschinen? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu:
Halbleiter werden oft als das »Erdöl des 21. Jahrhunderts« bezeichnet, der eine Rohstoff sozusagen, von dem fast alles andere abhängt. Warum ist das so? Weil wir uns als Gesellschaft auf den Weg gemacht haben, von den fossilen Energieträgern des 19. und des 20. Jahrhunderts unabhängig zu werden — vom Öl, von der Kohle und vom Gas. Nur so werden wir die Grundlagen des Lebens auf unserem Planeten erhalten. Darum ist die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft die zentrale Aufgabe dieses Jahrhunderts.
Das sagte Scholz beim Spatenstich zur Infineon Smart Power Fab am 2. Mai 2023 in Dresden. Taiwan ist Zentrum der weltweiten Produktion von Halbleitern, und der Mangel dieser von der Insel stammenden Elemente besitzt das Potenzial, die deutsche Industrie und zu großen Teilen eine andere Politik der Bundesregierung, die sogenannte Digitalpolitik, zu zerstören.
Möglicher Krieg in Taiwan? Gewinn für Russland, Verlust für Deutschland
Der »Kalte Krieg« zwischen Washington und Moskau existiert nicht mehr. Er ist Vergangenheit. Die US-Regierung sieht China als eine größere Bedrohung an und das erweist sich seit Jahren als Kapital für die amerikanische Außenpolitik. Es liegt in der Logik der Konzeption, dass Russland eher als ideologischer anstatt als wirtschaftlicher Feind angesehen wird. Ganz gewiss werden Staaten zu kalten Monstern, sobald vitale Interessen berührt sind. Es ist klar, dass bei einem Angrif Chinas auf Taiwan die US-Regierung Unterstützung für die Ukraine streichen wird. Daraus folgt, dass Putin als Gewinner des Krieges positioniert wird, und die EU damit rechnen sollte.
Das ist ein Problem, aber es gibt noch ein weiteres. Momentan wird die Entwicklung der Halbleiterindustrie in Europa und die Resilienz der Wertschöpfungsketten aktiv und intensiv diskutiert. Deutschland hat noch keine digitale Souveränität erreicht, im Gegenteil, die Abhängigkeit von Digitalimporten wächst, BITKOM zufolge.
Der Koalitionsvertrag formuliert als Ziel der Bundesregierung einen umfassenden digitalen Aufbruch. Wenn die Lage in Taiwan eskaliert, handelt es sich nicht nur um Diplomatie, sondern um die deutsche Industrie, die deutsche Wirtschaft.
